Die Wernershöhe bei Alfeld — Schutzgebiet für seltene und gefährdete Ackerwildkräuter
von Heinrich Hofmeister (+)
Die Wernershöhe ist ein besonders reizvoller Bereich des Leine-Innerste-Berglandes. Sie liegt etwa vier Kilometer nordöstlich von Alfeld und bietet einen weiten Blick in die bewegte Landschaft. Neben Kalkbuchenwäldern und Kalkhalbtrockenrasen gibt es hier noch bunt blühende Getreidefelder mit Tausenden Exemplaren von Mohn, Rittersporn, Kamille und vielen anderen Ackerwildkräutern. Ein Spaziergang kann hier im Sommer zu einem eindrucksvollen Erlebnis werden.
Zur Bestandssituation der Ackerwildkräuter in Niedersachsen
Neben Mooren, Trockenrasen und Trockenhangwäldern gehören Äcker zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen. Der drastische Rückgang zahlreicher Ackerwildkräuter geht unter anderem aus der „Roten Liste“ der Farn- und Blütenpflanzen (GARVE 2004) hervor, in der ausgestorbene und in ihrem Bestand gefährdete Arten aufgelistet sind und die in aller Deutlichkeit zeigen, wie sich die Überlebensmöglichkeiten der einzelnen Arten verschlechtert haben.
Intensivierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen der modernen Landwirtschaft mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und hohen Düngergaben haben dazu geführt, dass die floristische und ökologische Vielfalt vieler Ackerbiotope verschwunden ist, insbesondere in den ertragreichen und intensiv genutzten Ackerbaugebieten, wie der Hildesheimer Börde.
Als sehr bedeutsam für den Ackerwildkrautschutz erweist sich heute (auf der Wernershöhe schon seit 25 Jahren) der flächenhafte Schutz. Dazu werden vor allem von Naturschutzverbänden ganze Ackerflächen erworben oder gepachtet und unter Aspekten des Naturschutzes bewirtschaftet. Ais Vorteil erweist sich, dass die Pflanzengesellschaften im Bestandesinneren viel typischer ausgebildet sind als in den Randzonen, die durch Pflanzenarten aus anderen Lebensräumen und den starken Lichteinfall beeinflusst werden.
Die Wernershöhe ist das flächenmäßig größte Schutzgebiet für Ackerwildkräuter in Deutschland. Auf einer 25 ha großen Fläche des ertragsschwachen Kalkverwitterungsbodens wird hier flächenhafter Ackerwildkrautschutz betrieben. Die überregionale Bedeutung lässt sich durch die gesellschaftstypische Bestandsentwicklung und die außergewöhnliche große Anzahl seltener und gefährdeter Arten dokumentieren. Die alljährlich durchgeführten pflanzensoziologischen und floristischen Untersuchungen des Verfassers und der Botanischen Arbeitsgemeinschaft des ORNITHOLOGISCHEN VEREINS zeigen, dass sich die extensiv bewirtschafteten Bestände gegenüber konventionell bearbeiteten vor allem dadurch auszeichnen, dass die Ackerbegleitflora nicht nur an den Feldrändern, sondern auch im Bestandesinneren üppig entwickelt ist. Das gilt sowohl für den Gesamtdeckungsgrad der Ackerwildkräuter als auch für die Arten- und Individuenzahlen.
Das Untersuchungsgebiet
Die Wernershöhe liegt im Niedersächsischen Berg- und Hügelland am Ostrand der Sieben Berge zwischen den Ortschaften Wrisbergholzen und Sack und bildet eine ausgedehnte, ca. 80 ha große Hochfläche, die von ihrem höchsten Punkt (330,5 m üNN) allmählich nach Südosten und Südwesten abfällt. Die flachgründigen und skelettreichen Kalkverwitterungsböden der Kreideformation verfügen über eine geringe Wasserkapazität sowie eine schlechte Nährstoffversorgung und lassen sich nur sehr schwer bearbeiten. Der aus botanischer und naturschützerischer Sicht hohe Wert der Wernershöhe, die im Jahr 1985 als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde, beruht auf dem dichten Nebeneinander von Kalkbuchenwäldern, ehemaligen Hutungen und extensiv bewirtschafteten Ackerflächen.
Einrichtung eines Schutzgebietes für Ackerwildkräuter
Auf den Ackerflächen der Wernershöhe wird seit 1987 auf Initiative und unter fachlicher Betreuung der PAUL-FEINDT-STIFTUNG Ackerwildkrautschutz betrieben. Zu diesem Zweck wurde ein Teil der ertragsschwachen Flächen für Naturschutzmaßnahmen angepachtet und als Schutzgebiet für Ackerwildkräuter eingerichtet. Kürzlich konnte der Pachtvertrag bis zum Jahr 2023 verlängert werden. Damit soll die hier noch gut ausgebildete Ackerbegleitflora vor einer Nutzungsaufgabe und einer damit verbundenen Aufforstung oder Umwandlung in Wirtschaftsgrünland bewahrt werden.
Die angepachteten Ackerflächen werden von Herrn R. W. BERTRAM aus Everode biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Die bevorzugte Kulturart ist Roggen, der sich wegen seiner Anspruchslosigkeit und geringen Anfälligkeit gegen Pilzbefall besonders bewährt hat. Um dem einseitigen Nährstoffentzug entgegenzuwirken, wie er beim wiederholten Anbau derselben Kulturart zwangsläufig auftritt, wird auf der Wernershöhe ein viergliedriger Fruchtwechsel praktiziert. Dazu ist die 25 ha große Pachtfläche in verschiedene Parzellen aufgeteilt, auf denen zwei Jahre lang Roggen (Wintergetreide), danach ein Gemisch aus Hafer und Gerste (Sommergetreide) und schließlich Klee zur Gründüngung angebaut werden. Folglich sind die einzelnen Ackerflächen jedes Jahr mit anderen Kulturarten bestellt und bieten dem Besucher einen jeweils andersartigen Anblick.
Acker-Lichtnelken-Gesellschaft
In den Wintergetreidebeständen der Wernershöhe ist die Ackerlichtnelken-Gesellschaft (Euphorbio-Melandrietum noctiflori) zu finden. Im Frühsommer bietet sich ein farbenrächtiger Anblick, wie man ihn heute nur noch selten erleben kann. Aus dem schütteren Getreide leuchten dann die unzähligen Blutenstände und Blüten von Acker-Rittersporn (Consolida regalis), Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas), Gezähntem Feldsalat {Valehanella dentata) Geruchloser Kamille (Tripleurospermum perforatum), Acker-Winde, (Convolvulus arvensis) Rainkohl (Lapsana communis) und Acker- Stiefmütterchen (Viola arvensis) hervor. Bei näherem Hinsehen kann man weitere Arten entdecken, die zum typischen Artengefüge dieser Gesellschaft gehören (siehe Tab.1). Die Ackerlichtnelken-Gesellschaft findet auf den flachgründigen und wärmebegünstigten Kalkverwitterungsböden optimale Lebensbedingungen vor und hat auf Grund der extensiven Bewirtschaftung ihr charakteristisches Aussehen und Artengefüge bewahrt. Da diese Pflanzengesellschaft in Deutschland heute nur noch selten in so gut ausgebildeten Beständen vorkommt, verdient die positive Bestandsentwicklung auf der Wernershöhe eine besondere Beachtung.
Rote Liste-Arten
- Die Auswirkungen des Ackerwildkrautschutzes lassen sich besonders eindrucksvoll an der Populationsentwicklung der gefährdeten Ackerwildkräuter belegen. Seit Beginn des Projektes vor 25 Jahren wurden auf der Wernershöhe insgesamt 28 Arten der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen in Niedersachsen und Bremen (GARVE 2004) erfasst. Darunter befinden sich der vom Aussterben bedrohte Einjährige Ziest (Stachys annua) und die stark gefährdeten Arten Venuskamm (Scandix pecten-veneris), Kleiner Frauenspiegel (Legousia hybrida), Acker-Hahnenfuß (Ranunculus arvensis) und Gefurchter Feldsalat (Valerianella rimosa) (siehe Tab. 2).
- Gegenüber 7 Rote Liste-Arten, die 1988 registriert wurden, hat sich die Anzahl der gefährdeten Arten inzwischen auf 20 bis 25 pro Jahr eingependelt.
- Besonders bemerkenswert sind die außergewöhnlich hohen Individuenzahlen (siehe Tab. 2). Mehr als 10.000 Individuen einer Art findet man nur noch in sehr wenigen vergleichbaren Schutzgebieten in Deutschland. Der Einjährige Ziest bildet hier die größte Population in Niedersachsen, und der Gelbmilchende Saat-Mohn (Papaver dubium ssp. lecoqii), für den eine Gefährdung anzunehmen ist, wurde hier zuerst für Niedersachsen entdeckt.
- Zu den Arten, die nur sporadisch auftreten und auf der Wernershöhe keine stabilen Populationen aufgebaut haben, gehören Kornrade (Agrostemma githago), Saat-Kuhnelke (Vaccaria hispanica), Acker-Haftdolde (Caucalis platycarpos) und Kornblume (Centaurea cyanus).
Einfluss der Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die Ackerbegleitflora
Die biologisch-dynamische Bewirtschaftung mit dem viergliedrigen Fruchtwechsel und der Bevorzugung weiter Saatdichten hat sich sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht bewährt. Durch die Bevorzugung von Roggen und die damit verbundene Bestellung der Äcker im zeitigen Herbst werden Pflanzenarten, die bereits vor dem Winter keimen, wie Acker-Rittersporn und Klatsch-Mohn, begünstigt.
Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der seltenen und gefährdeten Ackerwildkräuter trägt in besonderem Maße der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und mineralische Düngung bei. Da im ökologischen Landbau eine mineralische Düngung abgelehnt wird und eine organische Düngung wegen der weiten Anfahrtwege ausscheidet, erfolgt eine Düngung lediglich in Form von Kleeeinsaaten und Wickenbeimischungen. Einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Ackerflora übt auch der späte Stoppelumbruch aus. Die üppigen Blühaspekte und die vielen fruchtenden Pflanzen auf den Stoppelfeldern zeigen die positive Bedeutung dieser Maßnahme für die Regeneration der Samenunkräuter.
Ackerwildkräutererfassung 2012 - Verteilung der Nutzpflanzen
Tab 2: Bemerkenswerte Arten auf der Wernershöhe 2012 TK25 - Nr. 3925/3. 9. (und 10.) Minutenfeld
Nr. der Probefläche Kulturart>
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RL
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1
Raps
konv.
|
2c
Klee
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2b
Hafer
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2a
Rogg.
|
3
Rogg.
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4
Hafer/
Gerste
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2012
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2011
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Stachys annua
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1
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©
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6
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4
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7
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7
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8
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Ranunc. arvensis
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©
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7
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7
|
8
|
©
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©
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8
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8
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|
Legousia hybrida
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2
|
©
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•
|
2
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6
|
7
|
4
|
7
|
8
|
Valeran. rimosa
|
•
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1
|
4
|
7
|
3
|
©
|
7
|
6
|
|
Seandix pect.-veneris
|
©
|
©
|
©
|
6
|
©
|
©
|
6
|
6
|
|
Valerianella dentata
|
6
|
7
|
©
|
8
|
8
|
6
|
8
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8
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|
Odontites vema
|
7
|
8
|
6
|
7
|
8
|
6
|
8
|
8
|
|
Galeopsis angustifol.
|
©
|
6
|
7
|
8
|
©
|
©
|
8
|
8
|
|
Consolida regalis
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5
|
6
|
4
|
7
|
8
|
6
|
8
|
7
|
|
Fumaria vaillantii
|
3
|
©
|
3
|
7
|
7
|
7
|
7
|
7
|
|
Silene noctiflora
|
3
|
©
|
©
|
3
|
6
|
5
|
4
|
6
|
7
|
Anthemis arvensis
|
7
|
©
|
©
|
3
|
©
|
6
|
6
|
6
|
|
Centaurea cyanus
|
3
|
4
|
2
|
5
|
©
|
©
|
5
|
5
|
|
Lithosperm, arvensis
|
•
|
©
|
©
|
•
|
©
|
1
|
1
|
2
|
|
Ajuga genevensis
|
•
|
6
|
©
|
3
|
•
|
3
|
6
|
2
|
|
Sherardia arvensis
|
©
|
©
|
2
|
6
|
©
|
©
|
6
|
2
|
|
Papaver lecoqii
|
G
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©
|
©
|
©
|
©
|
2
|
3
|
4
|
|
Thlaspi perfoliatum
|
6
|
3
|
©
|
7
|
6
|
3
|
7
|
8
|
|
Euphorbia exigua
|
©
|
6
|
7
|
8
|
6
|
4
|
8
|
7
|
|
Lathyrus tuberosus
|
V
|
©
|
©
|
©
|
5
|
©
|
©
|
5
|
6
|
Papaver argenome
|
2
|
©
|
©
|
6
|
4
|
2
|
6
|
6
|
|
Rhinanthus minor
|
©
|
2
|
©
|
6
|
2
|
2
|
6
|
6
|
|
Bromus commutatus
|
©
|
©
|
©
|
©
|
©
|
6
|
6
|
4
|
|
Valerianella carinata
|
+
|
©
|
©
|
*4
|
©
|
©
|
©
|
®4
|
6
|
Allium oleraceum
|
•
|
©
|
©
|
6
|
©
|
©
|
6
|
3
|
|
8
|
12
|
12
|
21
|
12
|
15
|
25
|
25
|
© Ornithilogischer Verein zu Hildesheim